45 Jahre Versöhnungsgemeinde

Am 9. Juli wird unsere Versöhnungsgemeinde 45 Jahre alt! Das nehmen wir zum Anlass, auf die Gemeinde-Geschichte zu schauen und ein paar Fotos zu zeigen. Als erstes eine Aufstellung derer, die besondere Leitungsverantwortung in unserer Versöhnungsgemeinde innehatten und innehaben. Die ehemaligen Pastoren und auch die zwei PräsidentInnen haben zu verschiedenen Anlässen Erinnerungen an die jeweilige Zeit aufgeschrieben. Wenn ihr auf die Namen klickt, ladet ihr die dazu passende pdf-Datei herunter.

Wir hoffen, das findet euer Interesse. Und wir laden euch ein, jeweils eure Erinnerungen und Fotos beizutragen! Kontaktiert uns dazu gern, dann schauen wir, wie es allen zugänglich gemacht werden kann.

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Versöhnungsgemeinde: ­

Hans Junge 1975­-76
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Dr. Gisela Schmidt­-Hebbel: 1976­-1986
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Vilma Zimmerling Möller: 1986­-1989­

Dr. Hermann Schmidt­-Hebbel: 1990­-1991 ­

Helmut Hardings: 1992­-1999

Eva Nehm: 1999­-2001

Lucy Preisler: 2001­-2008

­Michael Wagner: 2008-2019

Edzard zu Knyphausen: seit Oktober 2019

Die Pastorinnen und Pastoren der Versöhnungsgemeinde: ­

Axel Becker: 1975-1980

Carlos Steenbuck: 1981-1987

René Lammer: 1987-1993

Martin Junge: 1994-2000

Enno Haaks: 2001-2009

Friedemann Bauschert: 2010-2013

(Vakanzvertretung durch Raphael Quandt und Georg Welker: 2013/14)

Nicole Oehler und Johannes Merkel: seit Oktober 2014

 

Die ersten 11 Jahre der Versöhnungsgemeinde (1975-1986)

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GemeindepräsidentIn in dieser Zeit: Hans Junge (1975­-76) und Dr. Gisela Schmidt­-Hebbel (1976­-1986); Pastoren in dieser Zeit: Axel Becker (1975-1980) und Carlos Steenbuck (1981-1987)

carlos selma karoline

Prägende Personen in der Anfangszeit der Versöhnungsgemeinde: Pastor Axel Becker, hier mit KonfirmandInnen in El Tabito (rechts oben); Gisela Schmidt-Hebbel, hier an ihrem 90. Geburtstag mit anderen Frauen der Gründergeneration (rechts unten); Carlos und Selma Steenbuck, hier mit Schwester Karoline Mayer (oben)

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Konfi in El Tabito KLEIN

Generation der Gründerinnen KLEIN

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„Die Versöhnungsgemeinde ist das Ergebnis einer komplizierten Entwicklung in einer Zeit großer Veränderungen in der chilenischen Gesellschaft und ebenso in der Ev. Luth. Kirche in Chile. Dass Kirchen sich spalten, dass Kirchen und Gemeinden neu entstehen, das ist kein alltäglicher Vorgang.“ so beginnt unser erster Pastor, Axel Becker, seine Erinnerungen.

Vor 50 Jahren hatte die „deutsche“ lutherische Kirche eine vorsichtige Öffnung zur spanischsprachigen chilenischen Gesellschaft begonnen. Das war nicht unumstritten, genau wie das soziale Engagement in den Armenvierteln und die sich daraus stellenden (An-)Fragen daran, was es heißt, heute ChristIn zu sein.

Zum Symbol für diese Konflikte wurde Pastor Helmut Frenz, der sich in Concepción für arme Menschen, die Land besetzt hatten, engagierte. Und der sich später, nach dem Militärputsch als Bischof für Verfolgte einsetzte. „Seine Gemeinde“, die Erlösergemeinde hier in Santiago, und fast alle traditionell deutsch geprägten Gemeinden verließen 1975 schließlich die Kirchengemeinschaft der IELCH (Iglesia Evangélica Luterana en Chile) und gründeten die ILCH (Iglesia Evangélica Luterana en Chile). Eine Entwicklung, mit der sich die Väter und Mütter unserer Versöhnungsgemeinde nicht abfinden wollten.

Sie traten aus der Erlösergemeinde aus und mit ihrer kleinen, am 9. Juli 1975 neu gebildeten christlichen Gemeinschaft in die IELCH ein. Der Name war pragmatisch gewählt, denn in einem zerrissenen Land und einer gespaltenen Kirche wollten sie versöhnen. Das Trennende sollte vom Glauben relativiert werden, denn “Das Evangelium von Jesus Christus und der Gehorsam gegenüber seinem Auftrag sollen in unserer Arbeit betont an erster Stelle stehen. Allein von daher finden alle geschichtlichen, sozialen, kulturellen oder sprachlichen Gegebenheiten ihren rechten Platz.” (so die in der Gründungserklärung formulierte Überzeugung).

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colegio ganz früher

historia belenes

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historia templo trinidad

BasarVorbereitung1

Rechts oben: Die Christuskirche in Ñuñoa in der Adventszeit – hier war unsere Versöhnungsgemeinde in den ersten 24 Jahren ihres Bestehens zu Gast. Rechts unten: Basteln für den Adventsbasar – wichtige Einnahmequelle für die sozial-diakonischen und sonstigen Aktivitäten.

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Links: Man sieht an den Holzhütten, wie groß die Armut war. Trotzdem hat die Frau ein Lachen im Gesicht – vielleicht weil sie ihre Kinder in einem der “Belenes-Kindergärten” der Versöhnungsgemeinde fröhlich am Spielen und gut Geborgen weiß.

Von Anfang an war das sozial-diakonische Engagement für Familien, die zunächst in einer Armensiedlung auf dem heutigen Gelände des Parkes Araucano wohnten (población San Luis) , ein zentraler Bestandteil der Gemeindearbeit. Nach der Zwangsumsiedlung der Familien durch die Militärregierung gelang es der Versöhnungsgemeinde, die Familien weiter zu begleiten. So gründeten sie im Süden Santiagos Kindergärten. Es ist beeindruckend, wie die kleine Gemeinschaft dies finanziell und administrativ stemmen konnte. Und es ist bemerkenswert, dass die Familien, denen damals geholfen wurde, noch heute vom cariño berichten, mit denen sich die Väter und Mütter unserer Gemeinde engagierten. „Den Ärmsten zu dienen unter Gottes Wort.“ so beschrieb Gisela Schmidt-Hebbel, Gründungsmitglied und langjährige Präsidentin, die Mission. Sie gilt noch heute in unserem Colegio Belén O´Higgins.

Die Versöhnungsgemeinde bestand in der ersten Zeit aus nur wenigen, aber eben sehr aktiven Familien. Diese waren zum Teil Anfeindungen innerhalb der deutsch-chilenischen Gemeinschaft ausgesetzt. Man sagte zum Beispiel zu einer Konfirmandin „Ah, gehst du zu den Kommunisten?!“ Und so wurden die Gemeindegeburtstage stets als große Freude und Dankbarkeit unter dem Motto „uns gibt es immer noch“ gefeiert. Dabei gab es keine „politische Ausrichtung“, sondern es gelang in unserer Gemeinde etwas, das noch heute oft schwierig ist: Menschen trafen und treffen sich „unter Gottes Wort“, arbeiten zusammen und bilden eine Gemeinschaft – obwohl sie in vielen Ansichten und Lebensweisen auch durchaus unterschiedlicher Meinung sind.

An eine eigene Kirche war damals nicht zu denken, zum Glück sandte die deutsche Kirche aber weiterhin Pastoren. Die Gottesdienste fanden in der Trinitatiskirche in Ñuñoa am Sonntagnachmittag statt, die meisten Veranstaltungen im Pfarrhaus auf der Avenida Lyon. Und schon vor 40 Jahren fuhr man nach El Tabito! An einem der Kindergärten entstand eine später selbstständig werdende lutherische Gemeinde (Belén La Bandera). Für sie wurde in den 1980gern eine eigene kleine Kirche gebaut.

Wir blicken also auf einen bewegten Anfang zurück. Die Zeiten waren schwierig und auch das erste Gemeindejahrzehnt alles andere als einfach. Wie toll, dass es damals und heute so viele Menschen gibt, die sich mit ihrer Zeit und ihren Gaben, ihrem Geld und ihren Gebeten für die Versöhnungsgemeinde einsetzen! 45. Geburtstag heißt auch: ganz viel Grund zur Dankbarkeit.

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vor der errad.

Scan 7

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Scan 11

Das war vor 40 Jahren nicht anders, als heute: in einer Gemeinde wird geheiratet und getauft, bereitet man Jugendliche auf die Konfirmation vor und gedenkt bei Beerdigungen der Verstorbenen. Was man schon lange nicht mehr gesehen hat: eine Blech-Bläser-Gruppe. Und was man sich heute nicht mehr vorstellen kann: dass es zwischen Las Condes und Vitacura, ungefähr da wo heute der Parque Araucano und die schicken Hochhäuser sind, mal eine población gab. Mit dort wohnenden Familien begann die Sozialarbeit unserer Versöhnungsgemeinde.

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Die zweiten 11 Jahre der Versöhnungsgemeinde (1986-1997)

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GemeindepräsidentInnen in dieser Zeit: Vilma Zimmerling Möller (1986­-1989­), Dr. Hermann Schmidt­-Hebbel (1990­-1991), Helmut Hardings (1992­-1999); Pastoren in dieser Zeit: Carlos Steenbuck (1981-1987), René Lammer (1987-1993), Martin Junge (1994-2000)

2006 für 45jähriges Gemeindejubiläum 03

Die sozial-diakonischen Projekte der Versöhnungsgemeinde entwickeln sich weiter: es wird gebaut und natürlich auch an den Inhalten gearbeitet. Die Verwaltung kostet viel Zeit und Mühe – und natürlich auch viel Geld, welches zum Glück in Deutschland eingeworben werden kann. Die Kinder haben Freude – das sieht man auf Fotos aus allen Jahrzehnten…

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Die Versöhnungsgemeinde war 1975 in schwierigen Zeiten gegründet worden. Und auch in den ersten 11 Jahren gab es viele Herausforderungen zu bestehen. So kann man es als Wunder bezeichnen, dass hier überhaupt von einem nächsten Jahrzehnt die Rede ist. Mit den Worten von Martin Junge (von 1994-2000 unser Pastor): „Doch die Situation der Versöhnungsgemeinde war schwierig. Äußerst schwierig sogar. Sie stand mit dem Rücken zur Wand. Die sogenannte “Kerngemeinde”, die über Jahre hinweg mit beispiellosem Einsatz das Gemeindeleben aufrechterhalten hatte, war kaum gewachsen in der Vergangenheit. Die ganze Arbeit der Gemeinde mit ihren Tagesstätten ruhte auf nur wenigen Schultern.“

Aber (nochmals Junge): „Wenn ich rückblickend an die Versöhnungsgemeinde denke, drängt sich mir das Bild eines Gestirns auf, das durch sein bloßes Dasein eine Anziehungskraft entwickelt, der man sich nur schwer widersetzen kann. Je näher man der Versöhnungsgemeinde und ihren Menschen kommt, umso stärker ziehen sie einen an. Die Einblicke in Menschenschicksale und Lebensgeschichten, die bewegende Geschichte der Gemeinde an sich, die engen, vertrauensvollen und freundlichen Beziehungen – sie lassen einen nicht mehr los.“ So hört man es auch heute noch oft: hier waren (und sind) viele tolle Leute engagiert und ihr Tun stand (und steht) unter Gottes Segen.

Zwar kam es weder zu einer Versöhnung beider lutherischer Kirchen, noch konnten auch nur annähernd alle Probleme der Familien aus der ehemaligen Armensiedlung San Luis gelöst werden. Aber die Versöhnungsgemeinde hatte es geschafft, gleich drei neue Kindergärten aufzubauen und war weiterhin ein Ort, an dem sich Menschen ganz verschiedener Herkunft und Überzeugung unter Gottes Wort fröhlich versammelten.

Mit finanzieller Hilfe aus Deutschland wurde die sozial-diakonische Arbeit beständig ausgebaut, auch wenn das die kleine Gemeinde stark forderte. Das Engagement war groß und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Menschen wurde konkret geholfen – weit über die „Kinderbetreung“ hinaus. Und in Belén La Bandera war sogar eine Tochtergemeinde rund um den Kindergarten entstanden.

Der Kindergarten in El Cobre wurde dagegen schließlich an die befreundete Schwester Karoline Mayer, beziehungsweise ihr Hilfswerk, abgegeben. Die Verwaltung, sowohl was die Finanzen angeht, aber auch Personalführung, Einhaltung staatlicher Bestimmungen etc. konnte nicht mehr für drei Einrichtungen gleichzeitig gestemmt werden. In der Villa O´Higgins, wo heute unser Colegio steht, intensivierte sich die pastorale Arbeit ab 1991 und es begannen erste Überlegungen, ob es nicht sinnvoll wäre, eine Schule zu gründen. Das geschah fünf Jahre später: 1996 begann eine erste Klasse und dann wuchs das Colegio jedes Jahr um einen Jahrgang.

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2006 für 45jähriges Gemeindejubiläum 02

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Links: Pastor René Lammer mit den KonfirmandInnen vor der Christuskirche in Ñuñoa. Rechts: Alle Aktivitäten verlangen auch Vor- und Nachbereitung. Und das sozial-diakonische Engagement eine umfangreiche Administration.

Das Anliegen, zwischen den beiden lutherischen Kirchen zu versöhnen, stellte nach wie vor eine große Herausforderung dar. Oft saß die Versöhnungsgemeinde „zwischen den Stühlen“ – in der eigenen Kirchengemeinschaft (IELCH) aneckend oder argwöhnisch betrachtet, von der ILCH z.T. offensiv behindert (z.B. Ausschluss unseres Pastors René Lammer vom Religionsunterricht in der Deutschen Schule, um die Gemeinde von der Jugend „abzuschneiden“). Trotzdem ließen sich die Gemeindemitglieder weder von diesem Ziel, noch von der Vision einer Gemeinde, in der man verschieden denken kann, abbringen. „Vielleicht die wichtigste Lernerfahrung, die ich machte: eine tiefen Respekt und eine echte Verbundenheit für Menschen zu entwickeln, die eine mir konträre politische Meinung vertraten. Auch Ende der achtziger Jahre war das Land ja noch tief gespalten und polarisiert und dieser Riss ging quer durch die Versöhnungsgemeinde hindurch. In dieser Situation habe ich den gemeinsamen Glauben als etwas tief Verbindendes erlebt, es gab und es gibt eben ein Fundament, das auch die Gegensätze erträgt und zwar soweit, dass sie auch immer wieder ausgetragen, aber dann doch ausgehalten werden.“ (René Lammer)

Manches neue Projekt ließ sich nicht verwirklichen, z.B. die Idee, die Kindergärten mit selbst angebautem, qualitativ hochwertigem Gemüse zu versorgen. Und Anderes trägt noch heute seine Früchte: es wurde begonnen, Kindergottesdienste zu feiern und sich bewusst für junge Familien zu öffnen. Das war, so beschrieben es die damals Verantwortlichen, ein zäher Weg. Aber er hat sich gelohnt: auch im Juni 2020, also 30 Jahre später, steht unsere Versöhnungsgemeinde für ihre besondere Familienfreundlichkeit und über den Kreis der Gründerfamilien ist sie längst weit hinaus gewachsen.

Von einer großen Veränderung, die unsere Gemeinde ebenfalls bis heute stark prägt, wird dann nächste Woche zu lesen sein…

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Martin Junge

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Helmut Hardings

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Gemeinde lebt auch von den Menschen, die Verantwortung in ihr und für sie übernehmen – z.B. unser ehemaliger Pastor Martin Junge, heute Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (links) und unser ehemaliger Gemeindepräsident Helmut Hardings (rechts).

 

Die dritten 11 Jahre der Versöhnungsgemeinde (1998-2009)

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GemeindepräsidentIn in dieser Zeit: Lucy Preisler (2001­-2008), Michael Wagner (2008-2019)

Pastoren in dieser Zeit: Martin Junge (1994-2000) und Enno Haaks (2001-2009)

Zwei zentrale Menschen jener Zeit, die viele ins Herz geschlossen haben: Lucy Preisler und Enno Haaks. Die neue Kirche “Zum Guten Hirten” muss nicht nur mit Leben erfüllt, sondern auch neu gestrichen werden…

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In 1990gern gab es einen Finanz-Skandal in der damaligen Gemeinde „El Buen Pastor“ in Las Condes und darüber zerbrach diese Gemeinschaft leider vollständig. Aber unserer Versöhnungsgemeinde eröffnete sich daraus eine fantastische Möglichkeit: sie bekam das Grundstück und die Kirche auf der Alonso de Camargo, Ecke Somorrostro von der Gesamtkirche (IELCH) zum Gebrauch zur Verfügung gestellt.

Bei aller Dankbarkeit für die jahrelange Gastfreundschaft der Gemeinde La Trinidad in Ñuñoa ergaben sich jetzt völlig neue Möglichkeiten, das Gemeindeleben zu entwickeln und als Gemeinde zu wachsen – nicht nur näher am Wohnort der meisten Mitglieder, sondern auch mit viel Platz und ohne zeitliche Einschränkungen durch die Veranstaltungen der Gastgeber.

1999 fand der Umzug in die neue Kirche statt, welche wir noch heute mit Freude nutzen. „Durch „Probesitzen” und eine ganze Predigtreihe zum Thema „Kirche(ngebäude) und Gemeinde“ versuchte der Vorstand, diesen Wechsel so sanft wie möglich zu gestalten. Es gelang insofern, als der rasant zunehmende Gottesdienstbesuch, insbesondere von jungen Familien, die Trauer um die vertraute, zurückgelassene Christuskirche aufwog. Doch konnte ich besonders bei den älteren Gemeindemitgliedern stets die Wehmut nachempfinden für einen Ort, der ihnen in schwierigen Entscheidungen und Momenten der Vergangenheit, aber auch in Festen und Feiern, die das Leben doch auch immer wieder bietet, ein Zuhause geworden war.“ (der damalige Pastor Martin Junge)

Und mit dem neuen Pastor Enno Haaks wurde das alte Pfarrhaus verkauft und das Grundstück in Las Condes zum „Gemeindezentrum“ erweitert. Auch der begonnene Weg der Arbeit mit Kindern und Familien wurde konsequent weitergegangen – z.B. mit den Sommerfreizeiten in El Tabito oder den Vor-Konfirmations-Kursen für Kinder der 3. und 4. Klasse.

Im Colegio Belén kam jedes Jahr eine neue Klasse hinzu, bis schließlich eine achtjährige Schulausbildung + zwei Jahre Vorschule angeboten werden konnte. Mehr lassen die räumlichen Gegebenheiten des Grundstücks bis heute nicht zu. Aber um überhaupt so weit zu kommen, wurde immer wieder gebaut: 2007 konnte das neue Schulgebäude eingeweiht werden und bereits 2004 entstand die Kapelle „La Esperanza“ auf dem Gelände. In ihr entwickelte sich eine kleine Tochtergemeinde gleichen Namens. Und obwohl Chile einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg hinlegte und die Menschen in den Armenvierteln nicht mehr hungerten, war die Not vieler Familien nach wie vor groß.

„Als Pendler zwischen den Welten leben wir in unserem Gemeindealltag gerade im Blick auf unsere Belenes. Ein Teil der Identität unserer Gemeinde sind die Belenes. Aber wie oft haben wir schon gedacht, wieviel leichter wäre das Gemeindeleben ohne sie, wie viele Probleme weniger hätten wir. Aber – wieviel ärmer wären wir ohne sie… Wie notwendig gehört diese Arbeit seit den Anfängen zu unserem Gemeindeleben!“ (Pastor Enno Haaks anlässlich des 30. Geburtstags der Versöhnungsgemeinde)

Eine Konsequenz der im Zitat angesprochenen (und manchmal die Gemeinde in ihrer Existenz bedrohenden) Schwierigkeiten war die Abgabe des Kindergartens „La Bandera“ an die dort entstandene lutherische Schwestergemeinde im Januar 2008. Dies und andere Projekte konnten nur Dank der Hilfsbereitschaft vieler großzügiger SpenderInnen in Chile, Deutschland und der Schweiz vollbracht werden. Die Versöhnungsgemeinde erlebte Krisen – war aber damit und darin zum Glück nie allein.

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Links: Es wird viel gebaut – zum Beispiel das neue Pfarrhaus mit Büro und Gemeinderäumen neben der Kirche “Zum Guten Hirten” (oben) und die neue Kapelle “La Esperanza” auf dem Gelände des Colegio (unten). Rechts: Zur Finanzierung der Arbeit im Colegio werden viele kreative Wege gesucht – zum Beispiel Benefizessen “Sushi & Wein”, hier die Vorbereitungen (oben). Beim Fest “30 Jahre Versöhnungsgemeinde” am 10. Juli 2005 ist der Innenhof zum Empfang nach dem Gottesdienst gut gefüllt (unten).

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Die neue Kirche, der Garten, die sala und das neue Pastorat – alles füllte sich schnell mit Leben und wurde vielen Menschen Heimat. „Wo gibt es eine christliche Gemeinde, in der oft zum Gottesdienst genauso viele Kinder wie Erwachsene kommen?“ fragte damals Enno Haaks und fragen wir heute oft. Ebenso halten wir noch heute an der damaligen Neuerung fest, den fünften Sonntag im Monat als zweisprachigen Gottesdienst zu feiern. Und genauso gibt (bzw. gab es bis vor der Corona-Krise) jugendliche Freiwillige im Colegio Belén, die über das weltwärts-Programm der Bundesregierung zu uns kommen, um ein Jahr mit der Schulgemeinschaft zu arbeiten.

Auch das Ringen um pädagogische Wege, den Kindern im Colegio unter schwierigen Umständen etwas zu vermitteln und die fröhlichen Tänze zu den chilenischen Nationalfeiertagen konnte man schon vor 15 oder 20 Jahren erleben. Wenn man einen Bibelvers suchte für die ersten 33 Jahre unserer Versöhnungsgemeinde, so könnte man vorschlagen: Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“ (1 Petrus 3,15) Genau das ist passiert – im Gemeindeleben im engeren Sinn und im sozial-diakonischen Engagement.

 

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Schon seit Mitte der 90ger Jahre ein besonderes Kennzeichen der Versöhnungsgemeinde: Die Arbeit mit Kindern und Familien. Links: Kinder-Kirchen-Übernachtung und Sommerfreizeit in El Tabito. Rechts: St-Martins-Umzug und Vorkonfi-Einsegnung.

Zur weiteren Lektüre können wir sehr die Erinnerungen von den Pastoren Martin Junge (1994-2000) und Enno Haaks (2001-2009) empfehlen, die z.T. schon für frühere Anlässe aufgeschrieben worden sind (jeweils auf den Namen klicken).

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45 Jahre Versöhnungsgemeinde: die letzten 11 Jahre (2010-2020)

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Gemeindepräsidenten in dieser Zeit: Michael Wagner (2008-2019), Edzard zu Knyphausen (seit Oktober 2019)

PastorInnen in dieser Zeit: Friedemann Bauschert 2010-2013, Raphael Quandt und Georg Welker (2013/14 zur Vakanzvertretung), Nicole Oehler und Johannes Merkel (seit Oktober 2014)

Musik, Musik, Musik – ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsgemeinde. Hier aus den letzten Jahren: Flöte, Klarinette und Klavier; Konzertreihe “Barroco andino” mit einem Europa-Anden-Mix; SantiagoGospel und der Kinderchor der Deutschen Schule – Singt dem Herrn ein neues Lied!

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Am Anfang der 45 Jahre unserer Gemeindegeschichte stand die Aufspaltung der lutherischer Kirche Chiles in zwei (ILCH und IELCH). Ihr (wieder) Zusammenfinden zu befördern war eines der großen Ziele unserer Versöhnungsgemeinde. 2014 sah es nun so aus, als würde dieser Traum endlich Wirklichkeit werden und manche fingen schon an, ein Fest für die Vereinigung zu planen. Doch nachdem die Statuten für die Bildung einer gemeinsamen lutherischen Kirche im Vorfeld von unserer Kirche (IELCH) schon approbiert worden waren, fanden sie auf der Synode der ILCH keine entsprechende Mehrheit. Drei Jahre später (2017) kam es dann genau andersherum: die neu ausgehandelte Grundlage einer „gemeinsamen lutherischen Förderation“ wurde zwar auf der ILCH-Synode befürwortet, fand aber bei der IELCH keine Mehrheit. “Ich trauere. Trauern bedeutet, den Schmerz nach einem Verlust zu erleben.“ schrieb Bischof Sander daraufhin in unserem Gemeindebrief. „Schon mehr als 40 Jahren trauern wir, denn die Teilung der Kirche schmerzt. Und jetzt tut es einmal mehr weh, weil der letzte Versuch so viel Zwietracht hervorgebracht hat. Harte Auseinandersetzungen haben großen Schaden angerichtet. Es schmerzt!“ Mit diesem Schmerz leben wir weiterhin. Und gestalten bewusst weiterhin unsere guten Beziehungen zur Erlösergemeinde (ILCH) und bleiben trotz aller Schwierigkeiten, die das bisweilen mit sich bringt, bewusst Teil der IELCH!

In diesem Sinne war es nicht nur eine Ehre, sondern auch eine mehrfach große Freude, dass wir mit unserer Kirche “Zum Guten Hirten” Gastgebende für den großen gemeinsamen (!) Festgottesdienst beider lutherischer Kirchen am 31. Oktober 2017 sein durften. Wir feierten die „500 Jahre Reformation“ mit vielen Schwestern und Brüder aus den Gemeinden im ganzen Land. Und wir waren stolze ZeugInnen des ersten Besuches eines lutherischen Gottesdienstes durch ein chilenisches Staatsoberhaupt: neben vielen religiösen RepresäntantInnen war Präsidentin Michelle Bachelet präsent und sprach ein Grußwort. Beim anschließenden Empfang im Pfarrgarten, musste über die lutherische Einheit nicht diskutiert werden: wir (er-)lebten sie!

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Weiterhin wird viel gebaut: eine Photovoltaikanlage auf dem Dach unserer Kirche “Zum Guten Hirten” (2017, links oben); neue Beleuchtung und ein neuer Fußboden (2019 und 2013 unten); endlich auch die Überdachung des Pausenhofes in unserem Colegio Belén O´Higgins (2019, rechts oben). All das ist nur mit Hilfe von vielen großzügigen kleinen und großen Spenden und Mitteln der Deutschen Kirche (EKD und GAW) zu finanzieren. Wir sind vielleicht nicht viele – aber wir schaffen viel!

Für die Versöhnungsgemeinde selbst begann das letzte Jahrzehnt mit einer schwierigen Phase: Aufgrund verschiedener Umstände gab es eine lange Vakanz (Zeit ohne feste Pfarrperson) und im Gegensatz zur Beständigkeit in den Jahrzehnten davor viele Wechsel in der geistlichen Leitung. Das hatte zur Folge, dass manches Aufgebaute wieder zerbröselte und die Gemeinde Mitglieder verlor. Neben dem langjährigen Präsidenten Michael Wagner, der sich auch für die Entwicklung und Stabilisierung unseres Colegio Belén O´Higgins unermüdlich einsetzte, ist es einem kleinen harten Kern zu verdanken, dass die Versöhnungsgemeinde auch diese Durststrecke überstand. Sie hielten die Stellung in den Gottesdiensten und begleiteten die Vertretungen und wählten schließlich die neue(n) Pfarrperson(en) aus.

Im Oktober 2014 wurde dann mit Nicole Oehler erstmals eine Frau in das Pfarramt unserer Gemeinde eingeführt, sie teilt sich die Pfarrstelle mit ihrem Mann Johannes Merkel. Die neue Pfarrfamilie nahm alte Traditionen wieder auf und führte Neues ein, die Gemeinschaft kam wieder in Schwung und die Plätze in der Kirche füllten sich erneut.

Eine der Aktivitäten, die es nun schon seit 15 Jahren jedes Jahr gibt, die aber noch in keinem Bericht Erwähnung fand, soll hier beispielhaft genannt sein: die Erinnerung der Reichspogromnacht gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde. Rabbiner Shmuel Szteinhaendler ist nicht nur zu diesem Anlass ein gern gesehener Gast – er besucht uns auch zu anderen Veranstaltungen und empfängt unsere KonfirmandInnen in seiner Synagoge.

Ein Fixstern für viele Familien ist mittlerweile die Krippenspiel-Werkstatt vor Weihnachten, die aus weit mehr als nur „ein paar Proben“ besteht. Über 40 Kinder und Jugendliche treffen sich mehrere Tage am Stück zu gemeinsamem, intensivem Spielen, Singen und vor allem natürlich Arbeiten: ein Stück muss entwickelt und einstudiert werden, Kostüme und Requisiten hergestellt, je nach Jahr auch technische Gags oder kleine Choreographien geprobt werden…

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LINKS: Den 40. Geburtstag der Versöhnungsgemeinde haben wir groß gefeiert – u.a. mit einem fröhlichen Abend in unserer Kirche “Zum Guten Hirten”: mit Festessen, Bildern und Erinnerungen. Im Colegio, aber auch in der Gemeindearbeit (besonders mit den Kindern und Jugendlichen) sind sie nicht wegzudenken – die Freiwiliigen, die jedes Jahr zu uns kommen (hier der letzte Jahrgang, der leider Pandemie-bedingt eher abreisen musste).

RECHTS: Erste Teilnahme eines chilenischen Staatsoberhauptes in einem lutherischen Gottesdienst – Präsidentin Bachelet zum 500. Reformationsjubiläum in unserer Kirche. Farbenfroh, oft mit Musik und Tanz: die Feste der SchülerInnen in unserem Colegio Belén O´Higgins – hier die “Noche de las Américas”.

Im Colegio Belén O´Higgins stand in den letzten Jahren vor allem die administrative und pädagogische Konsolidierung an. Zwar hat sich das lokale Umfeld verändert und ist auch ein ganz klein wenig der wirtschaftlichen Entwicklung Chiles bei den Armen angekommen, aber immer noch gehören über 90% unser SchülerInnen zur sozial besonders gefährdeten Gruppe (vulnerable). Probleme wie Gewalt und Drogen sind im Viertel und leider auch in den Familien nach wie vor präsent. Unser sozial-diakonisches Engagement ist also auch nach 45 Jahren noch genauso gefragt und die Herausforderungen, in diesem Rahmen positive Akzente zu setzen, groß. Erschwerend hinzu kamen immer neue Bestimmungen seitens des chilenischen Staates und der stetige Drahtseilakt der Finanzierung mit den dürftigen zur Verfügung gestellten Mitteln. Nach einer großen finanziellen Krise, die Schule und Gemeinde fast die Existenz gekostet hätten, wurde beschlossen, beide auf dem Papier zu trennen und die „Bildungsstiftung Martin Luther“ zu gründen. Wir sind immer noch eins und auch die Statuten binden die Schule an die Versöhnungsgemeinde, aber manche administrativen Prozesse sind nun einfacher.

Durch einen Generationenwechsel in der pädagogischen Leitung nach dem Erreichen des Ruhestandes von Luis Varela (Direktor) und Cecilia Farias (UTP), kommt auch in diesen Bereich neuer Schwung. Der ist dringend nötig, denn die Ergebnisse bei den landesweiten Testarbeiten sind schlecht – was unter den sozialen Umständen nicht verwundert, aber dennoch einer dringenden Verbesserung bedarf und ansonsten vom Staat mit Sanktionen belegt werden kann. Die Familien unseres Colegio wurden nun aber sowohl von den „Nebenwirkungen“ der sozialen Proteste seit Oktober 2019, als auch von den Folgen der COVID-Pandemie besonders hart getroffen. Und so können wir schon jetzt sagen, dass die Arbeit hier in den nächsten Jahren schwierig und gleichzeitig besonders wichtig bleiben wird.

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