Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder der Versöhnungsgemeinde:
Heute schlagen wir einen weiten Bogen – von den IsraelitInnen in der Wüste bis hin zu einem Zitat von Immanuel Kant. Um Freiheit wird es gehen und um Kraft, die es braucht, sich dieser, aber auch manch anderen Herausforderungen zu stellen. Außerdem könnt ihr von der Synode (das ist so eine Art Kirchenparlament) unserer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile (IELCH) lesen – die hat sich am letzten Wochenende digital versammelt.
Viel Spaß beim Lesen!
- Von Herausforderungen und potentiellen Leitfäden
- Von der IELCH-Synode
- Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
1.a) Von Wüsten, Durststrecken und anderen Herausforderungen…
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir schwirren immer mal wieder die drei selben Wörter durch den Kopf: Durststrecke, Durchhalten, langer Atmen.
Schon wieder so hohe Zahlen! Der Abwärtstrend hat nur kurz angehalten und die Prognosen verheißen nichts Gutes. Das kann doch nicht sein!! Das soll nicht sein. Ich will nicht mehr so wirklich. Reicht mein Durchhaltevermögen? Wie lange ist mein Atem? Keine Ahnung, wenn ich ehrlich sein soll… Wird schon. Irgendwie.
Und dann muss ich an das Volk Israel denken und seine Wanderung durch die Wüste. Wahrscheinlich, weil wir gerade mit den Konfis am Samstag darüber gesprochen haben. Die Geschichte ist mir so nahe wie lange nicht.
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Klar, 40 Jahre haben wir Gott sei Dank noch nicht mit dieser Pandemie zugebracht und werden es auch hoffentlich nie werden. Dennoch. Ich stell mir vor, wie motiviert die IsraelitInnen am Anfang waren. Endlich auf dem Weg in die große Freiheit. Fröhlich marschierten sie los. Die Kinder vielleicht noch im Wettstreit, wer die Tagesetappe gewinnt, jedeR will die Erste sein. Die Alten singen, die Jungen nehmen sie an den Arm. Motiviert, auch wenn niemand eine Ahnung hat, was da kommen mag.
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Und irgendwie war das bei uns „damals“, am Anfang der ersten Quarantäne auch noch so. Wir waren fest gewillt, das Beste draus zu machen, das Positive zu sehen. Es gab regelmäßige Fussballturniere Eltern gegen Kinder im Garten, wir haben viel gespielt und am Anfang sogar noch mal alles Mögliche geputzt und aufgeräumt, was man schon immer mal machen wollte. Aber relativ schnell merkte man auch die Schwierigkeiten: Kinder Zuhause mit Schulkram und selber Zuhause arbeiten? Hm… kommt nicht ganz hin. Die Nerven liegen das eine ums andere Mal blank. Und über allem liegt das große Gefühl der Unsicherheit.
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Ich stelle mir vor, dass es dem Volk Israel nicht viel besser ging. Die Motivation der Kinder, jeden Tag durch die Wüste zu latschen, sinkt mit Sicherheit von Tag zu Tag – und wie lange sie bei den Erwachsenen anhielt, darüber wage ich keine Prognosen. Bestimmt etwas länger. Aber auch hier mischt sich in die große Freude und Erwartung des verheißenen Landes, die Unsicherheit und die Erschöpfung: Wo finden wir Wasser? Was werden wir morgen essen? Wie weit ist es noch? Kommen wir jemals dort an? Ich kann nicht mehr!
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Die Stimmung schlägt um. Gemurmel und Gemurre macht sich breit. Enttäuschung steht in barschen Gesichtern geschrieben. So hatten sie sich das mit der Freiheit nicht vorgestellt! Sie klagen und klagen an: einander und Gott. Und Gott sieht ihre Bedürfnisse und kümmert sich: schickt Manna und Wachteln, so dass sie zu essen haben und versorgt sind.
Wie gut, dass sie das auch jetzt noch macht!! Wenn auch im übertragenen Sinne: Gott weiß, was wir jetzt brauchen, was uns guttut. Gott ist 40 Jahre in der Wüste mitgegangen und hat sich geduldig jedes Lamentieren und Motzen angehört – mit einem großen Herzen. Da ist auch Platz für mich mit allen Höhen und Tiefen.
1.b) … und von potentiellen Leitfäden
In der Wüste lagen die Probleme tiefer. Klar, war es nicht toll, immer nur dasselbe zu essen oder nicht mehr zu wissen, wie man noch die Kraft für die nächste Wegstrecke aufbringt. Aber das Grundproblem war, dass das Volk mit der neuen Situation nicht umzugehen weiß. So etwas hatten sie schlicht noch nicht erlebt: Freiheit. Bisher hatten die Sklavenaufseher bestimmt, was zu tun und was zu lassen ist. Jetzt mussten sie ganz neue Wege und neue Regeln finden, um miteinander gut umzugehen. Sie brauchten so etwas wie einen Leitfaden, der sie auf dem Weg in die Freiheit begleitet, der ihnen hilft, die neue Situation zu gestalten. Und Gott gibt ihn ihnen!
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Die Gebote nicht als Einschränkung, sondern als Hilfe! Sie sollen uns dienen, damit gutes Leben für alle möglich ist. Sie entwerfen und schützen eine Vision vom guten Leben. Deswegen sagen einige Bibelwissenschaftler man muss sie eher mit „du wirst“ (Zukunftsverheißung), statt „du sollst“ (erhobener Zeigefinger) übersetzen. Die hebräische Verbform macht beides möglich. Und vielleicht könnte man für uns heute auch noch ein paar neue Hinzufügen:
du wirst nicht ausrasten,
du wirst einen langen Atem haben,
du wirst auf dich achten,
du wirst …
Was müsste für dich dabei sein? Was brauchst du?
Welche „Gebote“ sind dir besonders wichtig?
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Wenn du magst, mach doch mal die Übung, die wir die Konfis auch haben machen lassen! Auf der folgenden LearningApp kannst du die 10 Gebote in der Reihenfolge ordnen, wie sie für dich persönlich wichtig sind. Schicke uns gerne einen screenshot – wir sind gespannt.
2. IELCH Synode
Auch nach deutlich über einem Jahr der Pandemie gibt es immer noch digitale Neuheiten: am Wochenende fand erstmals ein Treffen der Synode auf der Plattform Zoom statt. Die Synode (auch Kirchenparlament genannt) unserer IELCH trifft sich aller zwei Jahre, um Berichte entgegenzunehmen, wichtige Entscheidungen zu treffen, Ämter zu wählen und so die Entwicklung der Kirche zu leiten. Dazu kommen normalerweise drei Delegierte aus jeder Gemeinde, sowie der Synodalvorstand und Gäste aus dem In- und Ausland für ein Wochenende zusammen, um sich zu informieren, auszutauschen und abzustimmen.
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[span4]In vielem war es eine sehr gelungene digitale Premiere, aus der man auch für die zukünftige Durchführung präsentieller Synoden lernen könnte. So waren zum Beispiel alle Unterlagen bereits im Vorfeld an die Teilnehmenden verschickt worden, was es ermöglichte, sich in Ruhe einzulesen und vorzubereiten. Auch war es Kirchenpräsidentin Damaris Trujillo, Bischöfin Izani Bruch und Schatzmeister Pablo Rios so möglich, in ihren Berichten nur auf einige zentrale Punkte einzugehen und zügig zu einer Aussprache über die Sachthemen zu kommen.
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Darin wurden besonders die Adaption digitaler Möglichkeiten für die Fortführung der Arbeit der Kirche in Pandemiezeiten, die zahlreichen sozialen Initiativen zur Unterstützung Bedürftiger und das große Engagement der Verantwortlichen auf regionaler und nationaler Ebene gelobt.
Aufgrund der gesetzlichen Regelungen während der Pandemie sind alle Ämter bis zu drei Monate nach Ende des Ausnahmezustandes automatisch verlängert und so wurden keine Wahlen durchgeführt. Bei den Anträgen wurde ein neuer Ethikcode, eine Erklärung zur IELCH als inklusiver Kirche und die Aufnahme der Anerkennung der gesamtkirchlichen Ämter in allen Gemeindestatuten beschlossen. Mehrere Regelungen zum Pfarrdienst sollen erst noch genauer analysiert werden und wurden nicht abgestimmt.
Beim Ethikcode handelt es sich um eine Verpflichtung aller Mitarbeitenden (aber auch Kirchenmitglieder) zum respektvollen Umgang miteinander, Korruption und Mißbrauch werden definiert und untersagt. Außerdem sind die Regeln festgelegt, wie man gegebenenfalls Beschwerde einlegen kann und wie dieser nachgegangen wird. Die Erklärung zur „inklusiven Kirche“ bezieht sich besonders auf die sexuelle Diversität und unterstreicht, dass alle Menschen in der IELCH willkommen sind und dass das Thema in den Gemeinden bei Bedarf bearbeitet werden soll. Bei der Anerkennung der gesamtkirchlichen Ämter könnte man vermuten, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt, aber da sich manche Gemeinden in Konfliktfällen gern auf ihre juristische Unabhängigkeit berufen, soll dieser Aspekt nachgeschärft werden.
Schließlich fand noch eine „außerordentliche“ Synode statt, in der dem Vorschlag zugestimmte wurde, zwei Grundstücke (in Padre Hurtado und Talagante) und eine Wohnung (auf der Avenida Matta Oriente) zu verkaufen. Bei allen dreien gibt es schon seit Jahren keine Einnahmen oder Aktivitäten, im Gegenteil wurden Ausgaben verursacht und besteht das Risiko zu weiteren. Der erzielte Gewinn soll reinvestiert werden, um Einnahmen für die Kirche zu generieren.
Mit einem Gottesdienst ging die XI. Synode schließlich am Sonntag zu Ende. Die motivierende Predigt hielt Bischöfin Eaton von der ELCA – noch so ein Vorteil der digitalen Welt. Hier könnt ihr das Video der Predigt im englischen Original sehen (alternativ auf der spanischen Version der Hauspost mit dementsprechender Übersetzung):
3. Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
Gebet:
Gott, du versprichst, uns zu begleiten.
Wir bitten dich für alle, die Wüstenzeiten durchleben,
weil sie keine Kraft mehr haben und einfach ausgelaugt sind.
Schick deinen Engel, der sie stärkt und ihnen Mut für den Weg gibt.
Und wir bitten dich für alle, die Wüstenzeiten durchleben,
weil die Sorge um einen geliebten Menschen sie niederdrückt.
Lass sie spüren, dass du für sie da bist.
Halte deine Hand über sie.
Gott, du versprichst, uns zu begleiten.
Wir bitten dich für alle, die nicht in Freiheit leben können.
Die ihr Land und ihre Lieben verlassen müssen, weil Gewalt und Unterdrückung sie dazu nötigen.
Lass sie nicht allein auf ihrem Weg in die Fremde.
Hilf, dass sie neu Fuß fassen können, dass sie wieder Zutrauen finden.
Schenk ihnen Menschen, die ihnen offen begegnen.
Gott, du versprichst, uns zu begleiten.
Wir bitten dich für alle, denen deine Gebote egal sind,
die mit Regeln nix anfangen können und nur auf sich selber schauen.
Lass sie erkennen, dass sie uns zum guten Leben verhelfen.
Weite unseren Blick und lass deine Liebe übersprudeln.
Amen.
Der Vers:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
(Matthäus 22,37-39)
Der Spruch:
«Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt».
(Immanuel Kant)