Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder der Versöhnungsgemeinde:
Wir sind schon bei Hauspost Nummer 15 in diesem Jahr angekommen – wie jede Woche gibt es eine Anregung zum Nachdenken, dieses Mal auch eine Bitte, konkret zu helfen und zum Schluss Gebet, Bibelvers und ein Zitat.
Unserer Schwester Hildegard, die Anfang der Woche überraschend verstorben ist, werden wir in der nächsten Hauspost gedenken.
- „Ich trug Birkenstocksandalen mitten im Krieg.“
- Hilfe rund ums Colegio
- Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
1. „Ich trug Birkenstocksandalen mitten im Krieg.“
Das war der letzte Satz eines Artikels, den ich kürzlich las. Der Autor beschreibt darin eine Situation, die ich in diesen Tagen gut nachempfinden kann: morgens nach dem Aufstehen höre ich Nachrichten: Wahlen in Chile, Wahlen in Deutschland. Später sehe ich noch einmal in meine Tagesschau App: ein Seilbahnunglück in Italien, Raketen und Bomben in Israel und Gaza. Zum Mittagessen gab es noch eine Umweltkatastrophe: der Frachtkahn „X-Press Pearl“ verseucht das Meer vor Sri Lanka und abends lese ich von den Gräueln der Militärdiktatur in Myanmar. Hatte ich eigentlich schon nachgesehen, wie sich die neuesten Coronazahlen in Santiago entwickeln?
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Hier brennt nicht nur die „X-Press Pearl“, sondern auch ganz viel Chemie. Und die austretenden Containerinhalte verseuchen zu dem Meer und Strand…
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Die Nachrichten fliegen wie Konfetti an Karneval um meinen Kopf. Es sind schnelle Ausschnitte, nebenbei überflogen. Beim Kochen, beim Fahren, beim Zähneputzen. Schlimme Nachrichten sind es oder wenigstens bedeutsame. Aber am nächsten Tag, in einer Woche, spätestens nach zweien kräht kein Hahn – oder besser kein Nachrichtenportal mehr danach. Selbst Wochenmagazine mit Hintergründen und langen Artikeln verschwinden in der Versenkung, wenn die neue Ausgabe da ist.
Meine Gedanken an Kriege und Konflikte, an Katastrophen, Wahlen oder gesellschaftliche Umbrüche unterwerfen sich diesem Wandel: aus den News, aus dem Sinn.
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Immer online, immer erreichbar für die “latest news”.
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Als ich mich mit meiner Frau darüber unterhielt, fanden wir heraus, dass wir sehr unterschiedlich damit umgehen. An mir beobachte ich eine Art Abstumpfung – ganz unbewusst. Es macht mir oft nicht mehr viel aus, von Krieg und Katastrophe zu hören, ich lese hier und da einmal nach, aber im Großen und Ganzen geht es als Hintergrundrauschen in meiner alltäglichen Geschäftigkeit unter. Für meine Frau ist das anders. Sie würde am liebsten allem nachgehen, heftet sich emotional stark an Meldungen und fühlt sich dabei manchmal von der Beiläufigkeit der Bedeutsamkeit überfordert. Daher meidet sie unbewusst schon Nachrichten, während ich sie weiterhin nebenbei konsumiere.
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Der oben erwähnte Artikel ist auch schon fast zwei Wochen alt. Als ich aber diesen Sonntag Johannes‘ Predigt zu Gottes Frage: Wo bist du wirklich, Adam hörte, kam er mir wieder in den Sinn. Adam steht nackt im Garten. Das wäre keine Meldung wert, wäre sich Adam nicht plötzlich klar darüber geworden, dass das doch so nicht geht! Die Erkenntnis überfordert ihn. So viele neue Eindrücke, Dinge über die man sich Gedanken machen muss! Dann lieber verstecken. Die Decke über den Kopf ziehen.
Wo bist du wirklich? Oder – dem Hebräischen näher – auf Spanisch: Cómo estás? – fragt Gott.
Ich höre diese Frage an mich gestellt.
In einer Welt, die nicht mehr das Paradies ist.
In einer Welt, in der ich Verantwortung trage.
In einer Welt, in der wir mündig sind und entscheiden müssen, wie wir uns zu den Dingen verhalten.
Wo stehe ich in meiner Rolle in der Welt. Im Strom der Nachrichten, der Schicksale und Menschen die dahinterstehen?
Wo stehe ich dabei vor Gott zwischen den Extremen von Verstecken oder Gleichgültigkeit?
Es wird nicht möglich sein, in dieser Sache einen unumstößlich „richtigen“ Standpunkt zu finden. Meine Haltung, meine Gefühlslage wird sich immer wieder verändern.
Den Ankerpunkt kann nicht ich setzen, sondern den setzt Gott.
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Adam und Eva hatten den Garten Eden mit all ihrer Naivität im Moment des Essens der Frucht schon verlassen, ihr Leben ändert sich radikal. Gott erklärt ihnen, was das bedeutet.
Er verspricht aber auch: meine Haltung zu euch wird sich nicht ändern, ich setze euch einen Anker.
Seine Kette ist unsere Gemeinschaft und das gegenseitige Vertrauen. Egal wo euer Leben euch hintreibt, egal welche Stürme daran reißen, dieser Anker wird halten.
Später fasst Jesus das in andere Wort: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. Er versteckt sich nicht vor uns. Wir sind ihm nicht gleichgültig.
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Vor Gott stehe ich deshalb in Dankbarkeit und Demut. Aber manchmal eben auch in Klage oder Trotz.
Die Welt ist uns zur Aufgabe gegeben worden. Und ich möchte meinen Teil dazu beitragen.
Nicht aus Zwang. Sondern in der Freiheit zu wissen, dass mein Anker mich halten wird.
Vielleicht kann ich Themen identifizieren, die mir besonders am Herzen liegen. Eine persönliche Verbindung finden. Vielleicht durch einen vergangenen Studienaufenthalt in einem Land, in dem heute Krieg herrscht, vielleicht durch Freunde an Orten, wo Katastrophen zugeschlagen haben.
Das Leid der Welt lindern kann ich allein nicht. Wenn ich aber nicht abgestumpft oder überfordert werden will, kann ich versuchen, tätig Anteil zu nehmen. Kann mich in einem sinnvollen Feld engagieren, Aufmerksamkeit erzeugen, dranbleiben und versuchen, etwas zu verändern – sei es noch so klein.
Und ich kann im Gespräch mit Gott bleiben, zu ihm beten: ihm danken, ihm klagen. Und ich kann ihn bitten, diejenigen nicht aus dem Blick zu verlieren, die sonst keiner mehr sieht, wenn ihre Meldung wieder aus den Nachrichten verschwunden ist.
2. Hilfe rund ums Colegio
In dieser Woche findet die dritte “caja-Aktion” für die Familien der Schulgemeinschaft unseres Colegio Belén O´Higgins statt – wir werden nächste Woche davon berichten. Heute geht es um eine andere Bitte: Bei einem der Hausbesuche wurden die SozialarbeiterInnen unserer Schule aufmerksam auf eine Fläche mit improvisierten Häusern in einem benachbarten Stadtteil unserer Villa O’Higgins, zwischen Avenida Trinidad und Punta Arenas. Dort haben sich ca. 20 Familien angesiedelt, die unter minimalsten Bedingungen dort leben.
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Gerade jetzt, während der Pandemie, sind viele dieser improvisierten Siedlungen entstanden, in denen Menschen unter einfachsten Bedingungen leben.
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Sie baten um Lebensmittel auf der Straße und in den angrenzenden Stadtteilen und unser Direktor versprach, mit Lebensmitteln zu helfen, die von der staatlichen Unterstützung für die Familien übrigblieben. Auf diese Weise konnte die Schule schon drei Mal mit Lebensmitteln helfen. Aber das, was die Familien gerade um diese Jahreszeit dringend benötigen, sind warme Kleidung und Decken. Darum hat José Nilo uns als Gemeinde gefragt, ob wir den 20 Familien nicht helfen könnten. Und das wollen gerne tun!
Daher bitten wir euch:
Wenn ihr Decken oder warme Kleidung für Kinder, Männer oder Frauen habt, bringt sie bis zum Mittwoch, den 23. Juni ins Pfarrhaus! Bitte ruft vorher bei Pastorin Nicole durch, damit auch jemand zuhause ist, wenn ihr vorbeikommt. Ganz herzlichen Dank euch für eure Hilfe!!
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3. Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
Gebet:
Gott, ich danke dir,
– dass du versprochen hast, immer da zu sein.
– dass ich mich vor dir nicht verstecken muss, weil du weißt, wo und wie ich wirklich bin.
– dass du uns die Verantwortung zutraust.
Gott, ich klage dir,
– dass in der Welt so viele Menschen leiden und Gewalt erfahren.
– dass ich das manchmal kaum noch registriere oder mich davor verstecke.
– dass mich manchmal das Gefühl überkommt, du wärst nicht da.
Gott, ich bitte dich,
– sieh du die Menschen, die nicht mehr gesehen werden und sei ihnen besonders nah.
– hilf mir, meine Haltung gegenüber der Welt und dir immer wieder neu zu reflektieren.
– stärke das Vertrauen auf dich und gib uns allen immer wieder neuen Mut zur Veränderung.
Amen.
Der Vers:
… sind heute mehrere Verse: die Lesung vom letzten Sonntag (siehe 1.)
Wer mag kann hier auch die oben erwähnte Auslegung von Pastor Johannes dazu hören:
Der Spruch:
Mut ist nicht immer brüllend laut. Manchmal ist es die ruhige, leise Stimme am Ende des Tages, die sagt: Morgen versuche ich es wieder.
(Mary Anne Radmacher)