Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder der Versöhnungsgemeinde:
verschiedene Themen haben uns in den letzten Hauspost-Ausgaben beschäftigt – heute geht es mal um etwas, was nur selten in der Kirche zur Sprache kommt: Fußball. Dabei ist der Vergleich zwischen „der Magie rund ums runde Leder“ und „Religion“ schon oft gezogen worden und es gibt viele, die Ähnliches wie Paul Gardner sagen würden: Für die Ästheten ist Fußball eine Kunstform, ein athletisches Ballett. Für die, die eine spirituelle Neigung haben, ist es eine Religion.
- Angedacht: „Ein Spiel dauert 90min“
- Fußball und Religion
- Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
1. Angedacht: „Ein Spiel dauert 90min“
Da rollt er wieder, der Ball. Nach Pandemiebedingten Verschiebungen laufen gerade zwei kontinentale Fußballtourniere: Die Europameisterschaften und die Copa América. Man kann sich fragen, ob das sinnvoll ist – zumal in Brasilien oder England, wo neue Virusstämme nach wie vor zu vielen Infizierten und Toten führen. Auf der anderen Seite freuen sich Menschen, fiebern mit ihrer Mannschaft mit und rasten bei einem Sieg förmlich aus.
Leute, denen Fußball egal ist, werden über solches Verhalten auch in pandemiefreien Zeiten wahrscheinlich unverständig den Kopf schütteln. „Was haben die nur? Ist doch nur ein Spiel…“ Die Anderen sehen darin mehr. Vielleicht weil sie sich die Fußballkünste einfach gerne ansehen. Vielleicht aber auch, weil Fußball im Kleinen von dem zeugt, was uns im Leben umtreibt: von den schönen und von den hässlichen Seiten des Lebens. Von Glück und Unglück. Von Hoffnung und Resignation. Vom Fallen und vom Aufstehen. Von Siegen und von Niederlagen.
[row]
[span4]
[/span4]
[span4]
[/span4]
[/row]
„Ein Spiel dauert 90 Minuten“ – so hat es der ehemalige deutsche Nationaltrainer Sepp Herberger gesagt. Das klingt erst einmal ziemlich banal. Wer sich aber für ein paar Momente darauf einlässt, entdeckt: Im Fußball geht es zu wie im richtigen Leben. Der Satz führt uns vor Augen, dass die uns zur Verfügung stehende Zeit begrenzt ist. Psalm 90 formuliert diese existenzielle Wahrheit mit anderen Worten: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn‘s hoch kommt, so sind‘s achtzig Jahre.“
Der Psalm ist 2500 Jahre alt. Unsere Lebensdauer hat sich verlängert – davon konnte der Psalmdichter noch nichts wissen. Aber auch wenn unser Leben 90 Jahre währt oder gar 100, gilt: Die Zeit, die uns zur Verfügung steht, ist begrenzt. So wie ein Fußballspiel mit dem Anpfiff startet und dem Abpfiff endet, beginnt unser Leben mit der Geburt und stößt im Sterben an seine Grenze. Dann steht das Ergebnis. Dann lässt sich nichts mehr korrigieren.
[row]
[span4]
Deutschland und Chile treten bei den jeweiligen Kontinentalmeisterschaften an.
[/span4]
[span4]
[/span4]
[/row]
Dazwischen aber bleibt die Zeit, das (Spiel-) Geschehen zu gestalten. Es kommt darauf an, was wir daraus machen. Wann verhalten wir uns offensiv, wann defensiv? Wie feiern wir Erfolge und wie gehen wir mit Rückschlägen um? Wann stehen wir im Abseits? Spielen wir foul? Sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen, etwa bei einem Elfmeter, oder verstecken wir uns lieber hinter anderen?
Fragen, die nicht nur Fußballbegeisterte umtreiben können. In diesem Sinne lasst Euch von der Copa anregen und aufregen. Und vertraut darauf, dass auch eure Zeit in Gottes Händen steht!
2. Fußball und Religion
Wer vom Fußball redet, bekommt es schnell mit religiösen Vokabeln zu tun: da „pilgern“ die Fans ins Stadion, da wird auf dem „heiligen Rasen“ die Entscheidung gesucht, da muss der „Fußballgott“ herhalten, um die eine oder andere Spielentwicklung zu erklären.
[row]
[span4]
Auch jenseits des Platzes lassen sich durchaus religiöse Verhaltensmuster erkennen: manche Spieler werden wie Heilige verehrt, manche Zimmer der Fußballfans sehen aus wie Kapellen, die keinem Gott, sondern einem bestimmten Verein gewidmet sind. Mit Gesängen und gemeinsamen Verhaltensweisen entsteht unter den Anhängern zuweilen eine Gemeinschaft, wie sie sich viele Kirchengemeinden wünschen.
[/span4]
[span4]
[/span4]
[/row]
In vielen Gesellschaften werden die Kirchen immer leerer, die Stadien dafür um so voller. Hat der Fußball-“kult“ wie er jetzt zum Beispiel bei der Copa América zelebriert wird das Christentum als Religion nun also abgelöst?
Ich glaube: diese Formulierung macht es sich zu einfach. Sicher, es bestehen funktionale und auch emotionale Parallelen: Menschen gehen in eine Kirche oder einen Fußballtempel, um etwas zu erleben, das sie berührt, das ihrem Leben einen Sinn gibt. Da wie dort spielen Geschichten und Traditionen eine große Rolle, kommt es aber auch auf eine gute Inszenierung an. Fußball wie Religion sind für Missbrauch anfällig und verführen wegen ihres Einflusses in der Gesellschaft dazu, politisch Einfluss zu nehmen. Die Machenschaften der Kirche seiner Zeit hat Martin Luther zum Beispiel scharf kritisiert: Ämterkauf, Legitimierung „weltlicher Ziele“ durch vermeintlich „christliche Begründungen“. Die Korruption und politische Einflussnahme der großen Fußballverbände hat ein Ausmaß erreicht, dass man all den großen Turnieren am liebsten den Rücken zukehren würde.
[row]
[span4]
“Die nächste WM geht an…….. Quatar.”
[/span4]
[span4]
In der Religion wie im Fußball können positive Werte vermittelt werden und Gemeinschaft entstehen, die auch jenseits der Fan- oder der Gottesdienstgemeinde gelten und tragen. Trotzdem sind es auch zwei verschiedenen Welten. Die Kirche wird es trotz aller spannenden Bibelgeschichten oder guten Chöre nur selten schaffen, einen so zu packen, wie ein tolles Fußballspiel. Dessen Stärken sind das Erlebnis und die emotionale Übertragung auf alle, die sich damit identifizieren. Genauso kann das Christentum Perspektiven und Sinn anbieten, die über Sieg und Niederlage, über Auf- und Abstieg hinausgehen.
[/span4]
[/row]
Denn auch, wenn zum Beispiel ein Fan des FC Schalke sich auf den Grabstein schreiben ließ „Steh auf, wenn du ein Schalker bist“ über Tod und Leben, die Frage unseres Seins und unserer Bestimmung wird eben nicht „auf dem Platz entschieden“.
Das heißt keinesfalls, dass Fußballfans nicht in die Kirche gehen oder Christen nicht mit einer Mannschaft mitfiebern könnten. Wer Gottes Schöpfung lobt, kann auch Beine, die mit einem Ball Wunderbares anstellen oder Köpfe, die ausgefeilte Matchpläne erdenken, loben. Und genauso kann, wer im Stadion allen Sinn in 90min sieht, trotzdem wissen, dass es generell im Leben noch mehr gibt, als ein rundes Leder und DIE Mannschaft…
Link-Tipps:
Jürgen Klopp, Erfolgstrainer beim FC Liverpool, über seinen Glauben:
Das lesbische Pfarr-Ehepaar Steffi und Ellen behandeln viele Fragen in ihrem Video-Blog auf YouTube, auch das Verhältnis von Fußball und Religion:
3. Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
Gebet:
Gott, du hast uns geschaffen –
Mit Muskeln und Köpfchen,
mit Kopf und Beinen, mit Herz und Verstand,
mit Siegeswillen und der Fähigkeit, begeistert zu sein.
Wir danken dir für Sport und Spaß,
für das gute Gefühl, in Bewegung zu sein,
für ansteckende Freude und Grenzen überschreitende Spannung,
für das kleine Sportglück und die großen Feste.
Gott, du hast uns geschaffen und kennst uns.
Manchmal sind wir fies oder brutal – im Sport wie im Leben.
Manchmal teilen wir aus und machen andere zu Feinden.
Manchmal missbrauchen wir unseren Einfluss oder unsere Möglichkeiten.
Hilf uns, fair miteinander umzugehen und auch im Wettkampf das gemeinsame Ganze nicht zu vergessen.
Steh uns bei, wenn wir verhärten oder es übertreiben.
Fall denen in den Arm, die Missbrauch treiben, Macht und Einfluss nutzen.
Amen.
Der Vers:
Ihr wisst doch: Im Stadion laufen zwar alle Läufer um die Wette, aber nur einer gewinnt den Siegespreis. Lauft so, dass ihr ihn gewinnt! Alle Wettkämpfer üben in jeder Hinsicht Verzicht. Sie tun es, um einen vergänglichen Siegeskranz zu gewinnen. Aber wir tun es für einen unvergänglichen Siegeskranz. So führt mein Wettlauf nicht ins Ungewisse und meine Fausthiebe gehen nicht in die Luft. Vielmehr treffen meine Schläge meinen eigenen Körper und unterwerfen ihn mir. Denn ich will nicht anderen etwas verkünden und selbst als Versager dastehen.
(1. Korinther 9,24-27)
Der Spruch:
Einige Leute halten Fußball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es ernster ist.
(Bill Shankley)