Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder der Versöhnungsgemeinde,
wie angekündigt geht es diese Woche um den Start der neuen Konfi-Gruppe und um eine von Luthers Kern-Formulierungen – die passen ausgezeichnet, denn sie stellen sozusagen Antworten auf die weiterführende Frage „Wie kommen Menschen zu Gott?“ dar. Außerdem haben wir natürlich die neuesten Infos aus unserer Versöhnungsgemeinde für euch zusammengestellt und enden mit dem gewohnten Dreiklang aus Gebet, Vers und Zitat.
Wir haben noch nicht entschieden, wie es mit der Hauspost weitergehen wird. Weiterhin sind wir an Meinungen und Ideen dazu interessiert (z.B.: fortführen, zum monatlichen Gemeindebrief zurückkehren, etwas ganz Anderes..)
- Wozu brauchen Menschen Gott?
- Serie “Reformation und lutherische Kirche“: Die vier “soli”
- Informationen aus der Versöhnungsgemeinde
- Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
1. Wozu brauchen Menschen Gott?
1.a Das Gottschauen (von Leo Tolstoi)
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In einem fernen Lande lebte einst ein König, der kurz vor dem Ende seines Lebens stand.
Er sprach zu sich: „Ich habe auf der Erde alles, was nur ein Sterblicher erleben und mit den Sinnen erfassen kann, erfahren und geschaut. Nur etwas habe ich nicht schauen können in meinen ganzen Lebensjahren:
Gott habe ich nicht gesehen.
Ihn wünsche ich noch wahrzunehmen!“
Und der König befahl allen Machthabern, Weisen und Priestern, ihm Gott nahezubringen.
Schwerste Strafen wurden ihnen angedroht, wenn sie das nicht vermöchten. Der König stellte eine Frist von drei Tagen.
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Trauer bemächtigte sich aller Bewohner des königlichen Palastes, und alle erwarteten ihr baldiges Ende.
Genau nach Ablauf der dreitägigen Frist, um die Mittagsstunde, ließ der König sie vor sich rufen. Der Mund der Machthaber, der Weisen und Priester blieb jedoch stumm, und der König war in seinem Zorn bereits bereit, das Todesurteil zu fällen.
Da kam ein Hirte vom Felde, der des Königs Befehl vernommen hatte, und sprach: „Gestatte mir, oh König, dass ich deinen Wunsch erfülle.“
„Gut“, entgegnete der König, „aber bedenke, dass es um deinen Kopf geht.“ Der Hirte führte den König auf einen freien Platz und wies auf die Sonne. „Schau hin“, sprach er.
Der König erhob sein Haupt und wollte in die Sonne blicken, aber der Glanz blendete seine Augen, und er senkte den Kopf und schloss die Augen.
„Willst du, dass ich mein Augenlicht verliere?“, sprach er zu dem Hirten.
„Aber König, das ist doch nur ein Ding der Schöpfung, ein kleiner Abglanz seines strahlenden Feuers. Wie willst du mit deinen schwachen, tränenden Augen Gott schauen? Suche ihn mit anderen Augen.“
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Dem König gefiel, was der Hirte sagte, und er sprach zu ihm: „Ich erkenne deinen Geist und sehe die Größe deiner Seele.
Beantworte mir nun meine Frage: Was war vor Gott?“
Nach einigem Nachsinnen meinte der Hirt: „Zürne mir nicht wegen meiner Bitte, aber beginne zu zählen!“
Der König begann: „Eins, zwei …“
„Nein“, unterbrach ihn der Hirte, „nicht so; beginne mit dem, was vor eins kommt.“
„Wie kann ich das? Vor eins gibt es doch nichts!“ „Sehr weise gesprochen, o Herr. Auch vor Gott gibt es nichts.“
Diese Antwort gefiel dem König noch weit besser als die vorhergehende.
„Weise bin nicht ich“, sagte er dann, „sondern du. Wenn du mir auf meine dritte und letzte Frage eine Antwort gibst, gebe ich dir 100 Gulden: Nenne mir einen Ort, wo Gott mir nahe ist.“
Der Hirte lächelte und sagte zum König: „Und ich gebe dir 200 Gulden, wenn du mir einen Ort nennst, wo Gott dir nicht nahe ist.“
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1.b eure Antworten (im Original Spanisch und Deutsch, ohne Übersetzung)
Menschen brauchen Gott,
… weil Er uns in eine höhere Ordnung stellt, in der es nicht nur um uns alleine geht.
… weil Er unserem Tun und Wirken einen Sinn und eine Richtung gibt.
… weil Er unseren Blick auf unsere Mitmenschen, unser Umfeld, auf die Natur richtet.
…. weil Er unserem Leben Stabilität gibt.
…. weil die Menschen ihre Sorgen teilen und dadurch mindern können. (Das merke ich ganz stark im Gebet: ich erfahre Trost und gewinne Vertrauen).
Menschen brauchen Gott, weil sie von ihm Regeln annehmen, die das Zusammenleben verbessern oder erst möglich machen.
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Los seres humanos necesitamos Dios para aprender a dar gracias y ser conscientes de la vida.
Los seres humanos necesitan a Dios para guiarlos en entender su propia humanidad a través del ejemplo de Cristo.
Menschen brauchen Gott, weil jeder etwas braucht, an dem man sich in schweren Zeiten festhalten kann – Gott gibt uns Sicherheit.
Menschen brauchen Gott, weil er ihnen Halt verleiht.
Gott gibt Kraft, Stärke, die Fähigkeit zum Staunen und zur Dankbarkeit. Darum brauchen wir Gott.
Los seres humanos necesitan a Dios para guiarnos y acompañarnos. Nos ayuda, protege, acompaña y quiere, es como un amigo.
Los seres humanos necesitan a Dios, porque da tranquilidad pensar que existe un Ser Superior que puede interceder/ayudar en momentos difíciles. Que existe una “instancia” más, no soy yo la última y única posibilidad o alternativa.
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También, sentir que hay algo más, después de la muerte humana. Algo que trasciende.
Wir brauchen Gott nicht, wenn wir reich und schön werden wollen. Wir brauchen ihn auch nicht, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen und nur nach Spaß und Aktion aus sind.
Wir brauchen Gott, wenn wir nach (innerem) Frieden suchen und nach Wahrheit. Und wenn wir das dann gefunden haben, kommen Schönheit, Reichtum, Spaß und Aktion auch dazu… wenn vielleicht auch anders, als man sich das im ersten Moment vorstellt.
Menschen brauchen Gott, weil sie dann niemals mehr allein auf dieser Welt sein werden.
Los seres humanos necesitamos a Dios para dar respuesta a la pregunta por el sentido último de la vida. Dios viene a llenar la gran interrogante sobre por qué estamos en este mundo.
Él, ¡en su infinita Voluntad, Sabiduría y Amor Divino nos hizo a su Imagen y Semejanza!
Menschen brauchen Gott, weil es uns Gewissheit in ungewissen Zeiten gibt.
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Menschen brauchen Gott, weil er immer da ist, wenn wir ihn brauchen.
Man kann alle Sorgen ablegen und das erleichterte die Seele.
Man fūhlt sich nicht verlassen. Oft muss man danken und das tut gut.
Gott hält uns alle in seiner Hand.
Wie oft sagt man: So Gott will.
Gott ist in unserm Leben.
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Por la pregunta porqué el hombre necesita (o no) a Dios, no puedo contestar por “el hombre”. Solamente puedo decir:
Yo necesito a Dios, porque necesito ser amada y Dios me ama SIEMPRE.
Yo necesito a Dios, porque necesito poder confiar en alguien y en Dios puedo confiar SIEMPRE.
Si no lo necesitáramos no estaríamos en la Iglesia. En busca de él.
2. Serie “Reformation und lutherische Kirche“:
Die vier „soli“ als Zusammenfassung lutherischer Theologie
Über die Theologie Martin Luthers kann man dicke Bücher schreiben, alternativ lassen sich vier Kernaussagen herausgreifen, die zentrale Punkte der lutherischen Lehre beschreiben. Nach ihrem gleichlautenden lateinischen Anfang „solus, bzw. sola“ (allein) werden sie auch „die vier soli“ genannt: sola fide, sola gratia, solus Christus, sola scriptura.
Sola fide – allein aus Glaube/Vertrauen
Ohne Vertrauen geht ́s nicht. Positiv gewendet: Durch Vertrauen wird das Leben sicherer – ja getragener. Solches Vertrauen kann vielfältig sein – in den Partner, in die eigenen Kinder, in die gute Freundin. So gesehen ist es lebensnotwendig.
Eine zentrale Einsicht Martin Luthers war: Ich kann Gott vertrauen. Er schenkt sich mir und meinem Leben mit seiner Liebe. Er öffnet und weitet mein Herz; gegen Angst und Misstrauen, die mich bedrängen. ChristInnen haben darum nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel an ihrer Seite.
Luther betont in seiner Zeit besonders, dass der persönliche Glaube wichtiger ist als der Gehorsam zum Beispiel dem Papst gegenüber oder das sture Befolgen von Traditionen und Riten. Dagegen wehrt sich die damalige Kirche natürlich energisch.
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Sola gratia – allein aus Gnade
Martin Luther war verzweifelt. Im Mittelalter lernte man: Ich muss mir Gottes Zuneigung (Gnade) verdienen – durch gute Werke, durch Zahlungen für Ablassbriefe, … Luther erkannte jedoch aus seiner Bibellektüre heraus: So funktioniert das bisweilen zwischen Menschen, aber nicht bei Gott! Gott ist einfach so gnädig mit mir. Er vergibt. Er rechnet nicht auf.
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Heute ist die schwierigere Frage vielleicht: Bin ich mit mir gnädig? Oft genug nicht! Eigener Leistungsdruck und hohe Erwartungen von anderen machen die Sache nicht besser. Was aber, wenn Gott mit mir gnädig ist? Wie schön wäre es, wenn wir auch gnädiger mit uns und miteinander wären! Gott macht den Anfang. Wie bei einer Liebeserklärung: einfach so, ohne Vorbedingungen.
Solus Christus – allein Jesus Christus
Zu Martin Luthers Zeiten spielten sich manche kirchlichen Würdenträger so auf, als wären sie die eigentlich entscheidende Person im christlichen Glauben. Andere sahen Gott schon nicht mehr vor lauter Heiligenanbetung.
Das ist ein wenig so, wie die heutige Auswahl an Lehren und Gurus: Esoterik, Seelenwellness, Ratgeber für alles, Meister, die genau wissen, wo es langgeht. Der religiöse Markt boomt. Viele wählen gern selbst aus, was sie glauben wollen. Aber was, wenn es wirklich hart auf hart kommt? Wenn meine zurechtgelegten Ansichten nicht funktionieren? „Was hält dich wirklich im Leben?“ – so fragten sich sinngemäß schon die Reformatoren. „Wo ist dein Herz? Was ist dein Schatz?“
Ihre Antwort war einfach: Jesus Christus. Denn nichts ist ihm fremd in diesem Leben – tiefstes Leid in seinem Kreuzestod, größte Höhe in seiner Auferstehung. Die Reformatoren spürten: Zwischen Kreuz und Auferstehung passt ein ganzes menschliches Leben in allen seinen Wetterlagen. Und da wir uns unmittelbar selbst an Gott wenden können, brauchen wir keine Heiligen und keine religiösen Führer.
Sola scriptura – allein die Bibel
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Bücher erzählen uns mehr von der Welt und über das Leben. Sie schenken, wenn es gut geht, eine neue Sicht auf die Dinge. Die Reformatoren erkannten: Die Bibel ist eine wahre Gebrauchsanweisung für ́s Leben. Sie ist wie eine Brille, die Dinge noch einmal anders zu sehen, in einem anderen, ehrlichen Licht: Nämlich aus Gottes Sicht, aus der Perspektive seiner Liebe. Sie war die Grundlage für Martin Luthers Glaube und für seine reformatorischen Entdeckungen.
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Deswegen wollte er auch, dass alle sie lesen und verstehen können. Und begann die aufwendige und intensive Übersetzungsarbeit. Die Bibel ist ein Impuls: Klink dich ein in die Geschichten der Menschen mit Gott! Und entdecke so Gottes Spur in deinem Leben. Aufregend, neu und wahr – keine bloße Meinung oder Stimmungsmache. Manchmal tröstend, ein anderes Mal irritierend. Gottes Wort in menschlichen Worten.
3. Informationen aus der Versöhnungsgemeinde
Start Konfi-Kurs
Mit großer Freude haben wir am letzten Freitag nicht nur die erste Präsenzveranstaltung nach 7 Monaten durchgeführt, sondern dabei auch neun neue Konfis begrüßt! Natürlich war manches anders als sonst: das Treffen war kürzer und fand nur draußen stand, alle hatten Masken auf und es gab ausschließlich Aktivitäten mit Mindestabstand…
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Aber: die Freude war dieselbe wie sonst! Es ist gut, sich mit anderen gemeinsam auszutauschen, sich kennenzulernen und Rhythmen zu klatschen (statt zu singen), zu spielen und sich gemeinsam auf die Suche nach Gott zu begeben.
„Wozu brauchen Menschen Gott?“ war dann auch die Frage, die über dem Begrüßungs-Gottesdienst am Sonntag stand. Dieser dann per Zoom – aber ebenso voll Freude. Als Versöhnungsgemeinde freuen wir uns, dass sich Amanda, Annika, Caro, Cristobal, Tito, Fenna, Flo, Matilda und Raimundo auf den Weg in Richtung Konfirmation machen!
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Die nächsten Gottesdienste
Am Wochenende findet in Chile die Volksabstimmung über eine mögliche Verfassungsänderung statt. Aus diesem Grund hat unsere Kirche (IELCH) einen gemeinsamen Gottesdienst aller Gemeinden vorbereitet. In diesem werden auch lutherische PastorInnen aus anderen Ländern Lateinamerikas mitwirken, in denen ebenfalls solche Abstimmungen stattfanden. Außerdem werden mehrere Gebetsimpulse aus den verschiedenen Regionen unseres Landes im Internet ausgestrahlt werden. All das kann man dann zur beliebigen Zeit abrufen – zum Beispiel während des Wartens am Wahllokal: Sonntag 25. Oktober auf der FacebookSeite der IELCH (auf Spanisch).
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Eine Woche später steht dann ein wichtiger Feiertag für lutherische ChristInnen in aller Welt auf dem Programm: der Reformationstag. Für diesen gibt es einen gemeinsamen Gottesdienst beider lutherischer Kirchen (ILCH und IELCH), in dem Bischof Alexis Salgado aus Osorno (ILCH) predigen wird: Wochenende 31.10./01.11. auf Facebook und YouTube (auf Spanisch). In unserer Versöhnungsgemeinde wird es an beiden Sonntagen KEINEN zusätzlichen eigenen Gottesdienst geben!
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Am zweiten Novembersonntag gedenken wir wie jedes Jahr des Novemberprogroms von 1938. Wie immer mit unseren jüdischen Geschwistern und in diesem Jahr auch mit besonderen Beiträgen aus Argentinien und Mexiko. Sonntag 08.11. um 11 Uhr per Zoom.
In welchem Rahmen der Volkstrauertags-Gottesdienst (dieses Jahr am 15.11.), den wir traditionell gemeinsam mit der Erlösergemeinde in deren Kirche auf der Lota-Straße feiern, abgehalten wird, ist noch nicht endgültig entschieden und hängt natürlich auch mit der weiteren Entwicklung der Pandemie zusammen.
Abend zum Plebiszit
Am Sonntag wird die Volksabstimmung über eine mögliche Verfassungsänderung stattfinden. Wir wollen weder für das „apruebo“ noch für das „rechazo“ Werbung machen, aber darüber informieren, wie der Prozess laufen soll, was abgestimmt wird und was eine Verfassung eigentlich ist. Dazu wird Cristián García mit uns ins Gespräch kommen. Der Chilene hat in Deutschland über chilenisches Wahlrecht promoviert und später am Verfassungsgericht in Santiago gearbeitet. HEUTE, Mittwoch der 20. Oktober um 20 Uhr per Zoom.
4. Am Schluss: ein Gebet, ein Vers und ein Spruch
Das Gebet:
Lebendiger Gott: Unklar, unheimlich, ja bedrohlich ist vieles, was uns umgibt.
Deshalb bitten wir dich um die Klarheit deines Wortes
und um die Eindeutigkeit deiner hilfreichen Tat:
dass deine Wahrheit verkündigt und dass die Macht des Bösen gebrochen wird,
dass Menschenfurcht aufhört und Gottesfurcht einzieht,
dass Glaube wächst, Liebe gedeiht und Hoffnung neue Lebensmöglichkeiten entdeckt.
Barmherziger Gott: wir bitten dich heute für alle, die stolz, hochmütig und gefühllos sind,
die ihre Macht über Menschen missbrauchen, die die Schöpfung zerstören,
die auf den Gott Mammon vertrauen,
die ohne Glaube und Liebe und Hoffnung ihr Dasein fristen,
die nur vernünftig sein oder nur Spaß haben wollen:
Zeige ihnen, dass deine Macht größer ist als aller Wahn,
ruf du zur Umkehr, damit ihr Leben erneuert wird.
Liebender Gott: du hast dich dazu entschieden,
den Weg durch das Leben mit uns zu gehen.
Du machst uns frei zu einem Leben in dieser manchmal harten Welt.
Du machst uns frei, dir zu glauben, dich zu lieben, auf dein Reich zu hoffen.
Auch wenn wir dich bisweilen aufgeben wollen, willst du bei uns bleiben.
So komm auch heute zu uns und stärke unseren Glauben
durch dein gutes Wort und deinen machtvollen Geist.
Amen.
Der Vers:
Jesus spricht: “Aber ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhört.”
(Lukas 22,32)
Der Spruch:
Glaube ist die Wahrnehmung von Gottes guter und wirksamer Gegenwart hier und jetzt. (I.U.Dalferth, Theologieprofessor em.)